Wenn Lebenszeit im Auto flöten geht
Sie sitzen morgens um sechs im Auto und sind oft erst abends um acht zu Hause: Ein
Großteil der rund 4.700 Bauarbeiter in Mannheim nimmt enorme Pendelstrecken in Kauf
– ohne die Zeit für die Fahrerei bezahlt zu bekommen. Darauf weist die Gewerkschaft
IG BAU hin. „Bauarbeiter zählen zu den Rekord-Pendlern in der Region. Um zur
Baustelle zu kommen, haben sie nicht nur besonders weite Wege. Die Einsatzorte
ändern sich auch ständig. Darunter leiden Familie, Freunde und Freizeit“, sagt Wolfgang
Kreis, Bezirksvorsitzender der IG BAU Nordbaden. Erstmals soll es nun eine
Entschädigung der sogenannten Wegezeiten am Bau geben. Das fordert die
Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde, die am 25. Juni in Wiesbaden fortgesetzt wird.
Nach einer aktuellen Untersuchung des Pestel-Instituts legen Bauarbeiter in Deutschland
im Schnitt 64 Kilometer für die einfache Strecke zur Arbeit zurück. In der repräsentativen
Umfrage unter 4.800 Bau-Beschäftigten gab jeder Vierte an, mehr als eine Stunde zur
Einsatzstelle unterwegs zu sein – plus Rückfahrt. Zum Vergleich: Unter allen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betrifft das nur fünf Prozent.
IG BAU-Bezirkschef Wolfgang Kreis spricht von „verlorener Lebenszeit“ und fordert die
Baufirmen dazu auf, den Einsatz ihrer Mitarbeiter anzuerkennen. „Mobiles Arbeiten
gehört natürlich zum Bau dazu. Es wird immer woanders gebaut. Aber dann müssen
Bauarbeiter für die Fahrerei immerhin eine Entschädigung bekommen – entweder durch
Geld oder Zeit-Guthaben“, so der Gewerkschafter. Damit könne die Bauwirtschaft auch
einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten. „Berufsstarter überlegen
sich dreimal, ob sie in einer Branche anfangen, in der sie mehr Zeit im Bulli als zu Hause
verbringen.“