Der Heidelberger Gemeinderat entscheidet bis Dienstag, 7. April, erstmals in seiner Geschichte in einem elektronischen Verfahren über insgesamt 22 Tagesordnungspunkte. Die baden-württembergische Gemeindeordnung sieht ein derartiges Verfahren für sogenannte „Gegenstände einfacher Art“ vor. Dabei handelt es sich aber nicht um eine digitale Gremiensitzung. Die Stadträtinnen und Stadträte haben mehrere Tage Zeit, sich Vorlagen zu Tagesordnungspunkten anzuschauen. Wenn sie mit einem Beschlussvorschlag nicht einverstanden sind, können sie schriftlich widersprechen. Wenn sie einverstanden sind, müssen sie gar nichts tun. Ein Tagesordnungspunkt gilt nur dann als beschlossen, wenn es keinen einzigen Widerspruch gibt. Zu den Projekten in diesem Durchlauf zählen beispielsweise die Beteiligungsverfahren zum Einzelhandels- und zum Stadtentwicklungskonzept, die Geschwisterermäßigung in Kindertageseinrichtungen freier Träger oder die Fortschreibung des Straßenzustandskatasters.
„Es ist wichtig, dass wir auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben und politische Beschlüsse zu stadtrelevanten Projekten herbeiführen. Das elektronische Verfahren ist nicht für alle Projekte möglich. Aber es geht gut bei Themen, bei denen keine kontroversen politischen Debatten und Abwägungsprozesse zu erwarten sind. Für andere Themen brauchen wir nach wie vor Sitzungen des Gremiums. Ich habe deshalb auch im Auftrag unseres Gemeinderats Ende März an die Landesregierung geschrieben und um Möglichkeiten gebeten, in Zeiten von Corona Sitzungen auch über Videokonferenzen oder ähnliche Verfahren zu ermöglichen. Wir haben erste positive Signale aus Stuttgart erhalten und ich würde mich freuen, wenn die Kommunen hier schnell entsprechende Leitlinien bekommen würden. Einen Stillstand der kommunalpolitischen Gremien können wir uns nicht leisten“, sagt Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner.
Im elektronischen Verfahren reicht ein Widerspruch
Die Besonderheit am elektronischen Verfahren: Die Räte müssen einem Beschlussvorschlag nicht aktiv zustimmen, ein Nicht-Melden gilt als Einverständnis. Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die einem Beschlussvorschlag nicht zustimmen möchten, haben bis Dienstag, 7. April 2020, 23.59 Uhr Gelegenheit zum Widerspruch. Alle Vorlagen beziehungsweise Anträge, zu denen bis zum Ablauf dieser Frist keine Widersprüche eingegangen sind, gelten als beschlossen beziehungsweise im Beratungslauf abgeschlossen. Im elektronischen Verfahren gibt es keine Beschlüsse mit Mehrheit. Wenn auch nur eine oder einer der 48 Stadträtinnen und Stadträte widerspricht, gilt eine Vorlage oder ein Antrag als nicht beschlossen und muss auf die Tagesordnung einer regulären Gemeinderatssitzung geschoben werden.
Den Widerspruch können die Rätinnen und Räte per Mail oder schriftlich gegenüber den Sitzungsdiensten des Referats des Oberbürgermeisters aussprechen.
Rechtsgrundlage für Beschlussfassungen in diesem Verfahren ist übrigens die Gemeindeordnung, Paragraf 37, Absatz 1. Darin heißt es „Über Gegenstände einfacher Art kann im Wege der Offenlegung oder im schriftlichen oder elektronischen Verfahren beschlossen werden; ein hierbei gestellter Antrag ist angenommen, wenn kein Mitglied widerspricht.“
Die 22 Beschlussvorlagen für die Gemeinderäte sind wie bisher auch auf der Homepage der Stadt Heidelberg im Bürgerinformationssystem einsehbar: https://ww1.heidelberg.de/buergerinfo/infobi.asp