Bereits seit Januar 2021 steht bei Dr. Joachim Gerner hinter der Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ das Kürzel a.D. – außer Dienst. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte es aber im vergangenen Winter keine feierliche Verabschiedung des ehemaligen Dezernenten für Soziales, Familie und Kultur geben. Das konnte die Stadt Heidelberg nun endlich nachholen. Am Dienstag, 2. November 2021, würdigten viele Weggefährtinnen und -gefährten im Heidelberger Theater das umfangreiche Arbeitswerk von Dr. Joachim Gerner, der 16 Jahre lang als Bürgermeister für Heidelberg und seine Bewohnerinnen und Bewohner gewirkt hatte. Das Theater lieferte dazu ein künstlerisches Überraschungsprogramm aller Sparten, die Moderation übernahm Intendant Holger Schultze.
„Es ging Dir immer darum, für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt Zugänge zu Gesellschaft, Bildung und Kultur zu schaffen, Teilhabe zu ermöglichen und Solidarität zu leben. Gemeinsam mit Deinen Ämtern hast Du für Heidelberg Großartiges erreicht“, sagte Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner.
Andreas Stoch, SPD-Landesvorsitzender und von 2013 bis 2016 baden-württembergischer Kultusminister, erklärte in einer Videobotschaft: „Du warst mir in meiner Zeit als Kultusminister einer der wichtigsten Ratgeber. Du hast mir geholfen, den kommunalen Blick bei Themen wie der frühkindlichen Bildung oder dem Ausbau der Ganztagsschule einzunehmen. Heidelberg ist die Stadt mit der bundesweit geringsten Schulabbrecherquote, der geringsten Armutsquote, einer unglaublich beeindruckenden Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen – und Heidelberg ist die einzige deutsche Stadt im Netzwerk der UNESCO-Literaturstädte. All das trägt die Handschrift von Joachim Gerner.“
Mathias Michalski, SPD-Stadtrat und Vertreter des Gemeinderats, erklärte: „Joachim Gerner hat 16 Jahre die Knochen hingehalten und sich mit seinem Dezernat darum gekümmert, dass Heidelberg ein großes Stück mehr Teilhabe für alle im Bereich Kultur und Soziales ermöglichen konnte. Dass der Gemeinderat seinem Dezernat fast immer gefolgt ist, zeigt die große Wertschätzung, die der ehemalige Bürgermeister im Rathaus genossen hat.“
Dr. Gerner: „Zugänge schaffen, Teilhabe ermöglichen, Solidarität leben“
Dr. Joachim Gerner bedankte sich in seiner Abschiedsrede für alle guten Wünsche und warf einen Blick zurück auf seine Amtszeit: „Zwei Dinge sind mir im Laufe dieser 16 Jahre klargeworden. Zum einen: Redlichkeit, Kompetenz und Offenheit sind und bleiben nicht zu vernachlässigende Tugenden bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes. Und zum anderen: lokales Denken und Handeln kann nicht mehr isoliert betrachtet werden, losgelöst von überregionalen bis hin zu globalen Zusammenhängen. Wir stehen vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich ein Stück weit zu schließen, ist eine kultur- und sozialpolitische Zukunftsaufgabe. In meinem Dezernat hatten wir dafür einen programmatischen Handlungsansatz: In allen Politik- und Gesellschaftsfeldern Zugänge schaffen, Teilhabe ermöglichen und Solidarität leben. Das Streben nach gerechter Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ist für mich Kern von Chancengleichheit und zentraler Maßstab für soziale Gerechtigkeit.“
Vita, Verdienste und Erfolge
Der 1954 in Ulm geborene Joachim Gerner kam als Quereinsteiger in die Verwaltung. Nach seiner Tätigkeit als freier Autor, Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen unter anderem für WDR, NDR und ZDF war er von 1989 bis 2005 bei der Stadt Ulm tätig. Dort baute er zunächst das Kulturamt auf. 1995 übernahm er zusätzlich die Leitung des von dem amerikanischen Architekten Richard Meier entworfenen Stadthauses auf dem Münsterplatz und entwickelte das profilierte Kulturprogramm des Hauses. Im Januar 2005 wurde der SPD-Mann zum Bürgermeister des Dezernats Familie, Soziales und Kultur in Heidelberg gewählt. 2013 wurde er für weitere acht Jahre bestätigt. Als Bürgermeister für Familie, Soziales und Kultur der Stadt Heidelberg war Gerner auf Bundesebene aktiv als langjähriges Mitglied im Verwaltungsrat des Deutschen Bühnenvereins sowie im Ausschuss für Soziales, Jugend und Familie des Deutschen Städtetags.
In seinen 16 Jahren als Dezernent in Heidelberg hat Dr. Joachim Gerner viele erfolgreiche Projekte geführt. Herausragend ist sicherlich die Auszeichnung Heidelbergs als erste und bislang einzige deutschsprachige UNESCO-Literaturstadt. Zudem fiel in seine Amtszeit die Sanierung und Erweiterung des Heidelberger Theaters, die Stärkung der Outsider-Art durch Erweiterung der Sammlung Prinzhorn, die Stärkung des Tanzes mit der Hebel-Halle und dem Choreografischen Zentrum, die Eröffnung des Mark-Twain-Centers für Transatlantische Beziehungen und die Schaffung neuer Perspektiven für die Soziokultur mit der Verlagerung des Kulturhauses Karlstorbahnhof in die Südstadt.
Im schulischen Bereich erreichte Dr. Gerner, dass an allen 35 öffentlichen Schulen die flächendeckende Schulsozialarbeit etabliert werden konnte. Für seine Arbeit sprechen zudem die Platzierungen Heidelbergs als bester Standort für schulisches Lernen in Deutschland (Bertelsmann Lernatlas) sowie die bundesweit geringsten Schulabbrecherquoten (Caritas-Studien), die Platzierung Heidelbergs als Großstadt mit der geringsten Armutsquote (Bertelsmann Monitor Nachhaltige Entwicklung Kommune 2019), die Steigerung der Kinderbetreuung im Bereich der unter Dreijährigen von 23 Prozent (2005) auf 55 Prozent (2020) sowie der Neubau des Hauses der Jugend. Gerners Nachfolgerin Stefanie Jansen ist bereits seit Januar 2021 im Amt.