Land fördert Provenienzforschung an den Reiss-Engelhorn-Museen
Die Frage nach der Herkunft von Museumsobjekten ist angesichts der Debatte um Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten so aktuell wie nie. Hier setzt die Provenienzforschung an. Die Aufarbeitung ist jedoch mit großen Herausforderungen verbunden. Oft fehlt es an finanziellen und personellen Mitteln, um diese Mammutaufgabe adäquat bewältigen zu können. So umfasst allein die Weltkulturen-Sammlung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim rund 40.000 Exponate von fünf Kontinenten. Unter welchen Umständen die Stücke gesammelt wurden und welchen Weg sie bis ins Museum zurückgelegt haben, ist bisher oft nur lückenhaft dokumentiert. Auch welche historische und rituelle Bedeutung die Objekte in ihrer Heimat hatten, ist teils unbekannt.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg unterstützt die Reiss-Engelhorn-Museen bereits bei der Aufarbeitung der Sammlungen „Bumiller“ und „Thorbecke“, die Objekte aus (Deutsch-)Ostafrika bzw. Kamerun umfassen. Dank einer erneuten Landes-Förderung in Höhe von 30.000 Euro Personalmitteln können in Mannheim jetzt auch Stücke aus Togo erforscht werden.
Togo war von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie. Die Reiss-Engelhorn-Museen besitzen rund 200 Exponate aus dem westafrikanischen Land, die über verschiedene Kanäle und Sammler ans Haus kamen. Es handelt sich u.a. um Waffen, Musikinstrumente, Ritualobjekte und Schmuck. Ein erster Schritt ist ihre Erfassung und digitale Veröffentlichung, um auf diese Weise eine möglichst große Transparenz zu schaffen und die Bestände weltweit einsehbar zu machen. Damit folgen die Reiss-Engelhorn-Museen der „3-Wege-Strategie“, auf die sich Vertreter von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden im Oktober 2020 im Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten verständigt haben.
Diese Aufgabe übernimmt der togoische Kulturwissenschaftler Oussounou Abdel-Aziz Sandja, der sich bereits während seines Studiums an der Universität von Lomé intensiv mit der kolonialen Vergangenheit seines Landes beschäftigt hat. Er ist seit April 2021 in Mannheim tätig.
Stimmen zur Förderung
Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst:
„Der verantwortungsvolle Umgang mit unserer kolonialen Vergangenheit an allen Einrichtungen des Landes ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich freue mich daher sehr, dass die Reiss-Engelhorn-Museen die Erforschung ihres kolonialen Sammlungsbestandes konsequent und engagiert angehen. Mit unserer Förderung unterstützen wir das Museum darin, auch für seine Togo-Bestände die erforderliche Transparenz herzustellen und sie damit weltweit zugänglich zu machen.“
Michael Grötsch, Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur der Stadt Mannheim:
„Dank der Förderung des Landes Baden-Württemberg kann die Forschung der Reiss-Engelhorn-Museen zur genauen Herkunft von Objekten aus kolonialen Kontexten ausgeweitet und intensiviert werden. Die Klärung der Provenienzen schafft Transparenz und ist Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Sammlungsbeständen.“
Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim:
„Es ist natürlich ein absoluter Glücksfall, dass wir mit Oussounou Abdel-Aziz Sandja einen Wissenschaftler gewinnen konnten, der ab der ersten Sichtung die Perspektive der Herkunftsgesellschaft mit einfließen lässt. Unser Ziel ist eine enge Zusammenarbeit mit Institutionen in Togo, um einen intensiven Dialog auf Augenhöhe anzustoßen.“
Quelle: Reiss-Engelhorn-Museen