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Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2019 der Stadt Heidelberg an Natascha Wodin verliehen

10. Dezember 2019 | Bildung, Gesellschaft, Heidelberg, Leitartikel, Politik

Die Schriftstellerin Natascha Wodin erhielt den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil am 3. Dezember im Heidelberger Rathaus aus den Händen von Bürgermeister Dr. Joachim Gerner. ©Philipp Rothe

Die Autorin Natascha Wodin ist mit dem Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2019 der Stadt Heidelberg ausgezeichnet worden. Bürgermeister Dr. Joachim Gerner überreichte den Preis am 3. Dezember im Heidelberger Rathaus. Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert. Sie wird alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren.

 

Die Jury erklärte in ihrer Begründung: „Das Werk der deutschen Autorin Natascha Wodin ist durchwirkt von Erfahrungen des Fremdseins, der Entfremdung, des Befremdens. Und es ist zugleich ein Werk, das von der Rettung durch Sprache gezeichnet ist. Natascha Wodin lernt als Kind eines Russen und einer Ukrainerin die deutsche Sprache und behauptet sich durch sie. (…) Wodin hat mit den zuletzt erschienenen Romanen in einer einfachen, klarsichtigen Sprache eine überfällige Erzählung gestiftet für das Schicksal von Millionen sowjetischen Zwangsarbeitern in Deutschland.“

 

Bürgermeister Dr. Joachim Gerner nannte den Hilde-Domin-Preis einen wichtigen Baustein der Literaturförderung, die Heidelberg als einzige UNESCO-Literaturstadt in Deutschland fortsetzen und nach Möglichkeit weiter intensivieren wolle. Der Domin-Preisträgerin dankte Gerner für ihren schriftstellerischen Einsatz und Mut: „Als Schriftstellerin setzen Sie sich in ihren Büchern mit den verheerenden Geschichtsumbrüchen des 20. Jahrhunderts und Themen wie Entwurzelung, Fremdheit und Ortlosigkeit auseinander. Fragen und Aspekte, die aufs Engste mit Ihrer persönlichen Geschichte verknüpft und verwoben sind.“

 

Der Osteuropa-Historiker und Schriftsteller Professor Karl Schlögel beschrieb Natascha Wodin in seiner Laudatio als eine Autorin, deren Verankerung in einer schmerzlich erlittenen Herkunft dafür sorge, dass sie die Welt mit anderen Augen erblicke. Ihr gesamtes Schreiben, resümierte Schlögel, kreise um das Thema Verlust. „Man könnte am Ende dieser Reise durch die Welt der Natascha Wodin zum Schluss kommen, es drehe sich alles um die Ambivalenz eines Doppellebens, Fremd in der Heimat, beheimatet im ‚ewigen Exil‘. Man könnte von der Selbstreflexion einer zwischen zwei Kulturen stehenden und sich nirgendwo zuhause fühlenden Existenz sprechen. Aber, soweit ich sehe, kreist alles Schreiben der Natascha Wodin um Verluste, um unersetzliche Verluste, um den Tod – und darum, wie man mit ihm fertig wird. Und das geht weit über die Reflexion einer komplizierten deutsch-russischen Identität hinaus“, sagte Schlögel.

 

Natascha Wodin, 1945 als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter in Fürth/Bayern geboren, wuchs erst in deutschen DP-Lagern auf (Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung sogenannter Displaced Persons nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs), dann, nach dem frühen Tod der Mutter, in einem katholischen Mädchenheim. Ihr Werk wurde unter anderem mit dem Hermann-Hesse-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet, für „Sie kam aus Mariupol“ bekam sie den Alfred-Döblin-Preis, den Preis der Leipziger Buchmesse und den August-Graf-von-Platen-Preis verliehen. Natascha Wodin lebt in Berlin und Mecklenburg.

 

Der Preis „Literatur im Exil“

 

Der Preis „Literatur im Exil“ wurde 1992 von der Stadt Heidelberg anlässlich des 80. Geburtstages der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin gestiftet. Seitdem wird die Auszeichnung alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. Die Vergabe kann entweder für eine Einzelleistung oder in Anerkennung des Gesamtwerkes erfolgen. Bei ins Deutsche übersetzten Werken kann der Übersetzer oder die Übersetzerin nach Ermessen der Jury bis zu einem Drittel am Preis beteiligt werden. Der Preis ist dotiert mit 15.000 Euro. Zu Ehren Hilde Domins wurde der Preis nach ihrem Tod im Februar 2006 in „Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil“ umbenannt.

 

Bisherige Preisträger

 

Neben Hilde Domin erhielten den Preis bisher der in Teheran geborene Autor SAID, der in Leningrad geborene Boris Chasanow und dessen Übersetzerin Annelore Nitschke, der Bosnier Stevan Tontic, der Algerier Hamid Skif, der Deutsch-Iraker Sherko Fatah, der in Leningrad geborene Autor Oleg Jurjew, der in Bagdad geborene Autor Abbas Khider sowie der deutsche Schriftsteller Edgar Hilsenrath.

 

Die Jury

 

Mitglieder der Jury des Hilde-Domin-Preises waren

 

  • Dr. Axel Dunker (Professor für neuere und neueste deutsche Literaturgeschichte und Literaturtheorie an der Universität Bremen, Leiter des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien Bremen),
  • Hauke Hückstädt (Literaturvermittler, Autor, Literaturkritiker und Leiter des Literaturhauses Frankfurt am Main e.V.),
  • Ijoma Mangold (Literaturkritiker und Kulturkorrespondent im Ressort Feuilleton der „ZEIT“)
  • Andreas Platthaus (Journalist, Chef des Ressorts Literatur und Literarisches Leben der „FAZ“)
  • Inga Pylypchuk (Journalistin und freie Autorin, unter anderem für „Die Welt“).

 

 

 

 

Ergänzend: www.heidelberg.de/kulturamt und www.cityofliterature.de

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