Wachstumssignale bleiben aus
Mannheim, 6. Februar 2024. „Die Konjunktur kommt nicht vom Fleck. Die Stimmung der Unternehmen in der Region bleibt angespannt, da sie die weitere Entwicklung als sehr unsicher empfinden“, kommentiert Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, die Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn.
Neben der Konsumzurückhaltung der Verbraucher und der schwächelnden Weltwirtschaft macht Nitschke vor allem sprunghafte politische Entscheidungen im Inland, geopolitische Konflikte und hohe Kosten dafür verantwortlich, dass viele Unternehmen zu kämpfen haben. Hinzu kommen die sich verschärfenden Herausforderungen Bürokratie sowie Arbeits- und Fachkräftemangel. Die konjunkturelle Entwicklung wird somit von standortbedingten, strukturellen Faktoren dominiert. Einen ersten konjunkturellen Hoffnungsschimmer gibt es in der Industrie: Hier sind die Einschätzungen in der Region nicht mehr ganz so negativ wie zuletzt.
Der IHK-Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung in der Rhein-Neckar-Region, beträgt aktuell 105 Punkte. Damit ist der Wert seit der Umfrage im Herbst 2023 nur geringfügig um einen Punkt gestiegen. Per saldo melden 21 Prozent der Unternehmen eine gute Geschäftslage, was im Vergleich zur Herbst-Umfrage ein Plus von 2 Prozentpunkten bedeutet. Die Geschäftsaussichten gehen seit Herbst zwar nicht weiter zurück, sie sind mit -9 Punkten per saldo jedoch weiterhin im negativen Bereich. „Wachstumssignale sind leider nicht erkennbar“, stellt Nitschke fest. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn, an der sich 430 Unternehmen der Region aus allen Wirtschaftszweigen beteiligt haben. Umfragezeitraum war vom 2. bis zum 22. Januar 2024.
Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist für mehr als 6 von 10 Unternehmen das größte Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung (Mehrfachnennungen möglich). Die Sorge vor einem Rückgang der Inlandsnachfrage treibt aktuell 56 Prozent der Unternehmen um. Die Bedenken im Hinblick auf Energiepreise und Arbeitskosten sind im Vergleich zum Herbst wieder etwas angestiegen. Aktuell sehen 51 Prozent der Betriebe in hohen Energie- und 48 Prozent in hohen Arbeitskosten ein Risiko. Der deutlichste Zuwachs zeigt sich bei den Faktoren „Wirtschaftspolitik“ und „geopolitische Spannungen“. „Dass jedes Dritte Unternehmen die Wirtschaftspolitik als geschäftsgefährdend empfindet, muss bei den Entscheidungsträgern in der Politik die Alarmglocken läuten lassen“, so Nitschke.
Die Exporterwartungen verharren zu Jahresbeginn im negativen Bereich, seit Herbst zeigt sich nur eine geringfügige Verbesserung. Meldeten im Oktober per saldo 9 Prozent der Unternehmen sinkende Exportabsichten, so sind es aktuell 7 Prozent. „Es ist dringend notwendig, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hierzulande zu stärken, etwa durch geringere Energiekosten, ein verbessertes steuerliches Umfeld und Bürokratieabbau“, so Nitschke. Für die Länder der Eurozone zeigen sich die Ausfuhrpläne zurückhaltend und auch in die übrigen europäischen Länder gehen die Ausfuhrerwartungen zurück. Eine positive Entwicklung zeigt sich hingegen auf dem nordamerikanischen Markt. Hier konnten die Exporterwartungen seit Herbst noch einmal zulegen. „In den USA expandieren vor allem die Pharmahersteller, die Automobilindustrie und die Halbleiterbranche. Auch für Unternehmen aus unserer Region ergeben sich dadurch neue Zulieferchancen“, so Nitschke.
In der Industrie legen die Lagebeurteilungen im Vergleich zum Herbst um 3 Prozentpunkte zu, per saldo melden 17 Prozent der Unternehmen eine gute Geschäftslage. Mit Blick in die einzelnen Industriebereiche zeigen sich Investitionsgüterproduzenten am robustesten, während die Stimmung bei den Vorleistungsgüterproduzenten gedämpft bleibt. Bei den Industrieumsätzen im In- und Ausland zeigt sich ein spürbarer Rückgang. Per saldo meldet knapp jedes dritte Unternehmen sinkende Umsätze und auch die Auslastung der Kapazitäten lässt weiter nach. Das hat auch Auswirkungen auf die Geschäftserwartungen. Der Wert liegt per saldo mit 6 Punkten im negativen Bereich.
Die Großhändler der Region schätzen ihre Geschäftslage aktuell etwas schwächer ein als im Herbst. Der Saldo sinkt um 4 Prozentpunkte, liegt mit aktuell +13 Punkten jedoch weiterhin im positiven Bereich. Anders sieht es bei den Geschäftserwartungen aus. Der Erwartungssaldo liegt aktuell bei -35 Punkten, 16 Prozentpunkte unterhalb des Wertes vom Oktober.
Da sich die Verbraucherstimmung Ende 2023 etwas erholt hatte, schätzen die Einzelhändler ihre Lage im Januar besser ein als im vergangenen Herbst. Der Saldo steigt von -4 auf +9 Punkte. Bei den Erwartungen für das laufende Jahr zeigt sich jedoch keine Aufhellung. Im Gegenteil, der Saldo sinkt seit Herbst um 3 Prozentpunkte und liegt mit -23 Punkten weiterhin klar im negativen Bereich.
Im Vergleich mit den anderen Sektoren schätzen die Dienstleister ihre Lage am günstigsten ein. Der Lagesaldo legt seit Herbst um 3 Prozentpunkte zu und liegt aktuell mit 29 Punkten deutlich im positiven Bereich. Dabei zeigt sich insbesondere bei Unternehmensdienstleistern und im Finanzgewerbe eine positive Stimmung, während aus dem Hotel- und Gastgewerbe sowie dem Verkehrssektor ernüchternde Zahlen gemeldet werden. Insgesamt können die Geschäftserwartungen der Dienstleister auf niedrigem Niveau zulegen. Sie steigen im Vergleich zum Herbst um 5 Prozentpunkte und erreichen per saldo mit 3 Punkten wieder leicht den positiven Bereich.
Im Durchschnitt zeigen sich die Investitionsabsichten der Unternehmen am Jahresbeginn im Vergleich zum Herbst nahezu unverändert. Der Investitionssaldo liegt weiterhin mit einem Punkt im negativen Bereich. Mit Blick in die einzelnen Sektoren zeigen sich deutliche Unterschiede: So legen die Investitionsabsichten in der Industrie und bei Dienstleistern zu, im Handel gehen die Investitionspläne hingegen zurück. Wenn investiert wird, dann bleibt der Ersatzbedarf mit 64 Prozent das vorherrschende Investitionsmotiv (Mehrfachnennungen möglich). 49 Prozent der Betriebe planen Investitionen in Digitalisierungsprozesse und etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen möchte verstärkt in Innovationsprojekte investieren.
Die Unternehmen der Region melden aktuell leicht abflauende Beschäftigungspläne. Der Saldo ist mit 6 Punkten im negativen Bereich. Die Arbeitslosenquote im IHK-Bezirk beträgt aktuell 5,3 Prozent, was einen Anstieg von 0,3 Prozentpunkten seit Oktober bedeutet.
Der aktuelle IHK-Konjunkturbericht ist abrufbar unter www.ihk.de/rhein-neckar/konjunktur
Quelle: Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar