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Nach einem rasanten Anstieg sind die gemeldeten Infektionszahlen in den letzten zwei Wochen wieder gefallen. „Entwarnung für eine Herbst- oder Winterwelle bedeutet das aber nicht“, erklärt Dr. Christoph Harter, ärztlicher Leiter der Koordinierungsstelle Impfen und Testen beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis. Die gesunkenen Meldezahlen führt er auf unterschiedliche Ursachen zurück. „Zum einen hat sich das Testverhalten ganz erheblich geändert“, so Dr. Harter und sagt weiter: „Viele Menschen mit Symptomen und/oder einem positiven Antigen-Schnelltest isolieren sich selbst für fünf Tage, ohne die Corona-Infektion durch einen PCR-Test bestätigen zu lassen. Da nur diese aber zur Bestimmung der Inzidenz zugrunde gelegt werden, werden diese Fälle in der Inzidenz nicht sichtbar.“
Dennoch: Auch die Abwasserproben aus Heidelberg bestätigen einen abfallenden Trend. Die rückläufige Entwicklung der Inzidenz kann laut Dr. Harter dementsprechend auf ein geändertes Kontaktverhalten der Bevölkerung hinweisen, weil man im individuellem Umfeld gehäuft, zum Teil so stark wie noch nie zuvor, Corona-Infektionen wahrnimmt und die mediale Berichterstattung bezüglich überfüllter Krankenhäuser und Notambulanzen mit Personalausfällen die Bevölkerung veranlasst, auch ohne staatlich beschlossener Kontaktbeschränkungen wieder vorsichtiger zu sein. Das konnte man schon in anderen Wellen beobachten. Im März und April 2020 konnte man beispielsweise durch Auswertung von Mobilitätsprofilen aus Handy-Daten feststellen, dass bereits vor dem Erlass staatlich beschlossener Kontaktbeschränkungen wie Schulschließungen oder Ausgangsbeschränkungen die Mobilität abnahm, weil die Bevölkerung durch mediale Berichterstattung vorsichtiger wurde.
Als weiteren Grund nennt Dr. Harter das gute Wetter: „Die sonnigen Tage in den letzten Wochen haben dazu geführt, dass Kontakte wieder vermehrt im Freien stattgefunden haben – das wirkt sich natürlich auf die Entwicklung der Inzidenz aus.“ Ergänzend weist Dr. Harter auf die allgemeine Entwicklung der – in Zügen endemischen – Infektionslage hin: „Man kann feststellen, dass der Selektionsdruck auf das Virus mittlerweile von lokalen Immunitätslagen – Infektionszahlen, Impfquoten – bestimmt wird. Diese unterscheiden sich aber eben nicht mehr global, sondern jetzt auch, abhängig von der Immunitätslage, regional. Beispielsweise sehen wir derzeit in Stichproben von Abwasseruntersuchungen auf das Corona-Virus eine Abnahme der Viruslast in Baden-Württemberg – in den Städten Heidelberg, Stuttgart, Tübingen, während eine Zunahme in Jena oder Hamburg festgestellt wird. Die lokale Immunitätslage durch stattgehabte Infektionen und die Impfquote kann mittlerweile bundesweit sehr unterschiedlich sein.
Wie bei Influenza-Viren entwickeln sich auch bei SARS-CoV-2-Viren unter Selektionsdruck neue Sublinien der derzeit dominierenden Variante BA.5, die versuchen die Antikörperantwort des menschlichen Immunsystems zu umgehen. Sogenannte Immunescape-Sublinien der BA.5-Variante werden derzeit in zunehmendem Maß bundesweit, aber auch im Rhein-Neckar-Kreis, festgestellt. Hierzu gehören unter anderem BF.7, BF.5, BA.4.6, BQ.1 und BQ.1.1. Es ergeben sich aber derzeit keine Hinweise darauf, dass diese Varianten auch zu schwereren Krankheitsverläufen führen. Natürlich ist auch wieder mit vermehrten Impfdurchbrüchen bei Zunahme dieser Sublinien zu rechnen, es gibt aber zum aktuellen Zeitpunkt keine Hinweise darauf, dass die derzeit zur Auffrischung angebotenen Impfstoffe nicht einem schweren Krankheitsverlauf trotz Immunescape entgegenwirken. Dennoch ist Vorsicht geboten, da es bei erhöhten Fallzahlen auch wieder zu einer steigenden Anzahl an Personalausfällen und mit Blick auf die Gesamtinfektionszahl insgesamt zu höheren Mortalitätszahlen vor allem bei hochaltrigen Menschen kommen kann. Und auch Long-Covid darf nicht in seinem bis dato weiterhin nicht bekannten Ausmaß unterschätzt werden, denn mit steigenden Fallzahlen kann es auch zu einer Zunahme von Long-Covid-Syndromen kommen. Das ist auch tatsächlich relevant, denn beim Long- oder Post-Covid Syndrom handelt es sich nicht nur um einen Folgezustand eines schweren Verlaufs mit Residualschäden, sondern es kann auch nach leichten Verläufen Wochen später zu Symptomen wie Erschöpfung, Müdigkeit, Fatigue, Konzentrationsschwächen, Gedächtnisproblemen, Kurzatmigkeit und diversen anderen Symptomen wie eingeschränkte Belastbarkeit, Schlafstörungen sowie Muskelschwäche und -schmerzen kommen.“
Dr. Harter appelliert daher an die Bevölkerung: „Nehmen Sie das Impfangebot des Rhein-Neckar-Kreises in den Impfstützpunkten in Heidelberg, Eberbach und Sinsheim wahr und lassen Sie sich impfen – Termine stehen in ausreichender Zahl zur Verfügung.“ Es ist nach wie vor unbedingt erforderlich, dass die Impflücken der unter und über 60-Jährigen, gemäß den STIKO-Empfehlungen geschlossen werden und tolerable Maßnahmen zur Infektionsvermeidung, wie beispielsweise das Tragen von Masken in Innenräumen, Lüften und Abstand halten, weiter umgesetzt werden.
Auch andere Auffrischimpfungen sind wichtig. „Unser Immunsystem hat sich durch notwendige Maßnahmen zur Infektionsvermeidung die letzten zwei Jahre nur in äußerst geringem Maß mit Influenza-Viren auseinandergesetzt, sodass die dadurch bedingte Grippe-Saison in diesem Winter durchaus stärker ausfallen kann. Aus diesem Grund sind Influenza-Auffrischimpfungen mit entsprechend angepassten Impfstoffen in diesem Herbst besonders wichtig“, sagt Dr. Harter.
Quelle: Landratsamt RNK