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Spielbetrieb der 3. Liga in der laufenden Saison einstellen

17. April 2020 | Leitartikel, Mannheim, SV Waldhof Mannheim 07

Wir, der Hallesche FC, der SV Waldhof Mannheim, der 1. FC Magdeburg, der SC Preußen Münster, der Chemnitzer FC, die SG Sonnenhof Großaspach, der FSV Zwickau und der FC Carl Zeiss Jena, kommen angesichts der Corona-Virus-Pandemie und auch in Abstimmung mit weiteren Vereinen zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Saison 2019/20 der 3. Liga nicht fortgesetzt werden kann. Dies ist aus unserer Sicht der sportlich bittere, aber auch der einzig mögliche Weg, bei dem die gesellschaftlichen Realitäten, der Schutz der Gesundheit und die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen sind. Dennoch wollen wir, dass sportliche Erfolge in dieser Saison zu entsprechenden Ergebnissen führen. Darum schlagen wir vor, dass der aktuelle Tabellenstand im Hinblick auf den Aufstieg gewertet wird, der Abstieg dagegen ausgesetzt wird.

Das Corona-Virus hat den Fußball in Deutschland hart getroffen. Gerade für die 3. Liga, die bis zur Unterbrechung am 27. Spieltag auf den Rekordzuschauerschnitt von rund 8.700 Besuchern pro Spiel zusteuerte, sind die Spielabsagen besonders bitter.

Natürlich würden wir alle die angefangene Saison im Wettkampf gern beenden. Sportliche Wettbewerbe sollten auf dem Rasen entschieden werden und nicht am grünen Tisch. Davon sind wir überzeugt. Aber wir sind auch davon überzeugt, dass der Preis für eine Fortsetzung der Saison nicht unverantwortlich hoch sein darf – gesellschaftlich, bezogen auf die Gesundheit und auch wirtschaftlich.

Die aktuellen Entscheidungen der Bundesregierung sowie die bisher vorhandene Faktenlage und die fehlenden Antworten, vor allem zu medizinischen Fragen, lassen uns als in Verantwortung stehende Vorstände und Geschäftsführer, die persönlich für ihre Entscheidungen haften und die Verantwortung für die Gesundheit und das Leben ihrer Mitarbeiter und deren Familien tragen, in letzter Konsequenz zu dem Ergebnis kommen, dass die aktuelle Saison 2019/20 der 3. Liga nicht fortgesetzt werden kann.

Verwurzelung des Fußballs nicht aufs Spiel setzen

Der Fußball ist wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Hundertausende verfolgen jedes Wochenende die Spiele im Stadion, Millionen vor dem Fernseher. Die Spieler sind Vorbilder für viele Jungen und Mädchen. Aus dieser Stellung erwächst dem Fußball eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn Ärzte und Pflegepersonal Tag und Nacht für ihre Patienten im Einsatz sind, wenn Kinder und Jugendliche nicht zur Schule oder zur Kita dürfen, wenn Gastronomen, Einzelhändler, Künstler und viele andere um ihre wirtschaftliche Existenz bangen, dann darf der Fußball insbesondere in der 3. Liga mit der Verwurzelung der Vereine in den Regionen und Städten keine Sonderrolle für sich beanspruchen. Wenn er das tut, verliert er seine so wichtige Verwurzelung und missachtet seine gesellschaftliche Verantwortung.

Eine solche Sonderrolle hätte nicht nur gesellschaftliche, sondern auch konkrete medizinische Auswirkungen. Um überhaupt wieder an einen Spielbetrieb ab Mai in der 3. Liga zu denken, wäre die Einführung eines umfangreichen Testsystems notwendig. Alle Spieler, Trainer und Mannschaftsbetreuer der 3. Liga würden Tausende Tests bis zum Ende der Spielzeit beanspruchen. Auch wenn ein Weg gefunden wird, dass dies nicht von dem allgemeinen Testkontingent abgeht, so stünden doch diese zusätzlichen Kapazitäten nicht dort zur Verfügung, wo sie am dringendsten gebraucht werden: in den Krankenhäusern sowie in den Alten- und Pflegeheimen. Und wir befürchten, dass die Tests alleine nicht ausreichen werden. Sollten Infektionen bei unseren Spielern, Trainern und Mannschaftsbetreuern sowie ihren Lebenspartnerinnen und Kindern auftreten, besteht aus unserer Sicht die Gefahr, dass sie sich für einen längeren Zeitraum auf harte Quarantäne-Maßnahmen einstellen müssten. Dies hätte zur Folge, dass der mögliche Spielplan nicht eingehalten werden könnte und erneut – im schlimmsten Fall schon kurz nach Wiederbeginn – über eine Einstellung des Spielbetriebs entschieden werden müsste.

Auch das Konzept, auf die Verfolgung der Infektionskette bei Spielern zu verzichten, um den Spielbetrieb bei der Erkrankung eines Spielers fortführen zu können, würde eine weitere und unverantwortliche Sonderrolle des Fußballs in der Gesellschaft bedeuten. Dies ist insbesondere bei den Überlegungen der Bundesregierung im Hinblick auf weitere Lockerungen in Kombination mit der noch engeren Verfolgung der Infektionsketten, weiterem Personalbedarf bei Gesundheitsämtern und der Bereitstellung einer Corona-App zur Nachverfolgung der Infektionsketten und entsprechenden Quarantänen in der Bevölkerung nicht vermittelbar.  

Gesundheit steht über allem

Als Vereine sind wir auch wichtige Arbeitgeber in der jeweiligen Region und haben eine Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiter – ob Spieler, Trainer, Betreuer oder Ordner. Auch wenn das Corona-Virus vor allem für Risikogruppen gefährlich ist, sind auch jüngere Altersgruppen durchaus betroffen. In einem Kontaktsport wie Fußball ist bei den Bedingungen in der 3. Liga ein Infektionsrisiko für unsere Angestellten nicht auszuschließen.

Ganz praktische Probleme bereitet schon die Aufnahme des Trainingsbetriebes. Bis mindestens zum 3. Mai hatten und haben wir wegen der behördlichen Anordnungen zur Schließung der Sportstätten überhaupt keine Möglichkeit, ein normales Mannschaftstraining durchzuführen. In einigen Bundesländern und Kommunen gelten diese Einschränkungen noch deutlich länger. Wir befürchten, dass diese unterschiedlichen Regelungen einen fairen sportlichen Wettbewerb behindern und zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.

Auch wenn der Trainings- und Spielbetrieb zugelassen würde, müssen sicher umfassende Infektionsschutzmaßnahmen, wie der Sicherheitsabstand von 1,50 Meter und umfassende Abgrenzungen in Kabinen und Räumen, ohne Wenn und Aber eingehalten werden. Das mag bei Vereinen in der 1. oder 2. Bundesliga, die zahlreiche Trainingsplätze und Kabinen zur Verfügung haben, möglich sein. In der 3. Liga, wo die Bedingungen erheblich eingeschränkter sind, ist das aus unserer Sicht nicht zu leisten. Durch diese Tatsachen sehen wir uns unseren Mitarbeitern und deren Familien gegenüber in einer besonderen Verantwortung. Diese erheblichen Risiken für die Gesundheit und die daraus resultierende Verantwortlichkeit können wir als Vereine nicht in Kauf nehmen.

Klar ist auch, dass – sollte der Spielbetrieb im Mai wieder aufgenommen werden können – unsere Mannschaften in leeren Stadion spielen werden. Und gleichzeitig werden sie erheblichen Einschränkungen beispielsweise bei Fahrten zu Auswärtsspielen unterworfen sein. Wie dabei der Infektionsschutz gesichert werden soll, ist bislang unklar.

Geisterspiele sind für viele Vereine der vorzeitige Weg in die Insolvenz

Und zuletzt haben Geisterspiele für unsere Vereine finanziell erhebliche negative Auswirkungen. Derzeit befinden wir uns in der Situation, dass wir zwar faktisch keine Einnahmen haben, aber gleichzeitig unsere Kosten – insbesondere durch Einführung von Kurzarbeit – deutlich senken konnten. Schon diese Situation ist für uns und viele andere Vereine in der 3. Liga sehr prekär. Bei einigen Clubs wird nur durch Aufnahme von Darlehen – sofern sie denn überhaupt gewährt werden – eine Zahlungsunfähigkeit vermieden werden können.

Sollten wir jedoch gezwungen sein, die noch ausstehenden Spiele als Geisterspiele austragen zu müssen, hätten wir bei vollen Kosten keinerlei Einnahmen aus dem Spielbetrieb. Zumal die Mittel aus den TV-Übertragungsrechten in der 3. Liga nur einen Bruchteil der 1. und 2. Bundesliga ausmachen und ohnehin nur noch eine geringe Rate der aktuellen Saison aussteht. Ein Ausgleich bzw. eine Unterstützung der 3. Liga durch DFB oder DFL ist nicht in Sicht.

Wir gehen nicht davon aus, dass bei einer Einstellung des Spielbetriebes höhere Regressforderungen von Sponsoren auf uns zu kommen als bei einer Fortsetzung mit Geisterspielen.   Dies zeigen uns auch die zahlreichen positiven Rückmeldungen und Verzichtsangebote von unseren Sponsoren und Fans in den letzten Tagen und Wochen. Einige Sponsoren äußern zudem die Befürchtung, dass eine Sonderrolle des Fußballs in der Gesellschaft zukünftig und sodann für die Folgesaison nicht zu deren Firmenpolitik und Image passt.

Die Beendigung der Saison mit Geisterspielen würde viele Vereine in finanzielle Schieflage und einige direkt in die Insolvenz führen. Die Anpassung der Insolvenzregelungen durch den DFB ermöglicht dies ohne Konsequenzen. Zahlreiche Insolvenzen von Vereinen in einer kurzen Zeit werden aber zu einem langfristigen wirtschaftlichen Imageschaden der 3. Liga und des deutschen Fußballs führen.

  1. Liga muss Realität anerkennen

Die Darstellung der „Alternativlosigkeit“ zur Beendigung der Saison durch Geisterspiele ist für uns insgesamt nicht nachzuvollziehen. Insgesamt 18 Vereine der 3. Liga haben sich bereits vor Wochen für die Untersuchung und Bewertung aller Varianten von der auflagenbedingten, unabdingbaren Einstellung des Spielbetriebs bis hin zu Geisterspielen ausgesprochen und dies eingefordert.

Auch ein Aufschieben der Entscheidung und Verlängerung der laufenden Saison in den Herbst oder gar in den Winter hinein halten wir in der 3. Liga für nicht umsetzbar. Die hierfür angepassten Spielordnungen des DFB lösen die komplexen arbeitsrechtlichen Problemstellungen zur Befristung der Verträge bis zum 30.06. nicht auf. Außerdem würde dies den finanziellen Ruin der Vereine noch maßgeblich beschleunigen, da eine Planbarkeit und Durchfinanzierung der neuen Saison dann gar nicht mehr gegeben wäre.

Der DFB und alle Vereine der 3. Liga haben sich bis zu diesem Punkt nachweislich in alle Richtungen bemüht, eine Saisonfortsetzung zu ermöglichen. Dies muss und kann nach unserer Einschätzung auch allen Partnern und Sponsoren vermittelt werden.

Von den Fangruppen unserer Vereine erfahren wir breite Unterstützung und Zustimmung zu unserer Position. Die Politik und die Öffentlichkeit, vor allen im kommunalen Bereich, vermittelt uns ebenso ein klares Meinungsbild, eine Sonderrolle für Fußball in der 3. Liga wird umfassend abgelehnt.

Natürlich gibt es auch Vereine, speziell aus der oberen Tabellenhälfte, die in Anbetracht bestehender Aufstiegschancen bis zum Saisonende anderer Meinung sind. Dies können wir aus der Sicht der betroffenen Vereine nachvollziehen. Aber die Betrachtung der Gesamtsituation der 3. Liga führt für uns aus den genannten Gründen zu einem anderen Ergebnis. Wir können hier nur eine Gesamtbetrachtung der Situation mit den dargestellten Argumenten empfehlen.

Es gilt nun nach unserer Einschätzung die Realität der 3. Liga anzuerkennen. Es mag wirtschaftlich notwendig und bei den Voraussetzungen der Vereine in der 1. und 2. Liga möglich sein, die Saison im Verantwortungsbereich der DFL mit Geisterspielen zu Ende zu spielen.

Für die 3. Liga sehen wir dies aufgrund der bestehenden und zu erwartenden Auflagen als organisatorisch unmöglich, gesundheitlich sowie wirtschaftlich nicht darstellbar und gesellschaftlich   nicht vermittelbar an.

Aufstieg zulassen, Abstieg aussetzen, Liga aufstocken

Natürlich braucht es letztlich eine Verständigung zur Umsetzung einer auflagenbedingten, unabdingbaren Einstellung des Spielbetriebs sowie entsprechende Beschlüsse der Gremien beim DFB hierzu. Damit können naturgemäß nicht die Interessen und Hoffnungen aller erfüllt werden.

Hierzu bringen wir folgenden Vorschlag als Diskussionsgrundlage ein:

Wir plädieren dafür, dass die laufende Saison bei einer Einstellung des Spielbetriebes dennoch im Hinblick auf den Aufstieg gewertet wird.

Wir vertreten auch die Auffassung, dass es diese Saison keine Absteiger aus der 3. Liga geben sollte. Im Sinne einer solidarischen Lösung befürworten wir aber auch hier die Aufstockung der Liga um die derzeitigen Tabellenersten der Regionalligen. Dies führt zwar zu mehr Mannschaften in der nächsten Saison, bildet aber einen fairen Kompromiss ab und ermöglicht eine teilweise wirtschaftliche und mediale Kompensation in der Folgesaison.

Unsere Beurteilung zu Geisterspielen in der laufenden Saison kann aber nicht bedeuten, dass wir sie aufgrund der Entwicklung der Pandemie für die kommende Spielzeit vollständig ausschließen können und wollen. Auch wir gehen davon aus, dass wir schlimmstenfalls bis zum 31.12.2020 nur ohne oder mit eingeschränkten Zuschauerzahlen spielen können.

Aber in diesem Fall finden diese Partien unter anderen Prämissen statt. Wir können bis dahin alle Voraussetzungen im organisatorischen Bereich in einem hoffentlich gelockerten gesundheitlichen Umfeld planen und vorbereiten. Es würde keine Sonderrolle für die 3. Liga mehr eingefordert und eine strukturierte Vorbereitung auf die neue Saison wäre möglich. Anders als in der laufenden Spielzeit, in der die Personalkosten und Budgets unveränderbar sind, haben alle Vereine zur neuen Saison die Möglichkeit, ihre Etats an die neue Situation anzupassen.

Der Saisonstart sollte so weit wie möglich nach hinten verschoben werden, um die Phase der eventuell notwendigen Geisterspiele so kurz wie möglich zu halten und gleichzeitig das Infektionsrisiko für die Spieler, Trainer und Betreuer zu senken.

Wir wissen, dass die Entscheidung für eine notwendige Einstellung des Spielbetriebs für die 3.Liga nicht leicht fällt. Wir sehen diese nach sorgfältiger Abwägung aller Fakten und Einschätzungen jedoch als den sinnvollsten Weg für die Gesellschaft, zum Schutz unserer Mitarbeiter und zum Erhalt der Vereine und der 3. Liga an.

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